Die Geschichte der Sorgs

Die eigene Geschichte zu erfahren, ist wie eine Zwiebel zu schälen. Je länger man sucht und je tiefer man gräbt, desto mehr Schichten trägt man ab. In der Archäologie ist das Prinzip bekannt; je tiefer man gräbt, desto älter sind die Schichten, die man findet - siehe Stratigraphie. Der folgende Text besteht aus historischen Fakten ergänzt um mein persönliches Geschichtsverständnis.

Gimbsheim

1993 treffen sich zwei junge Menschen in der Diskothek in Nieder-Ramstadt. Es wird harte Rockmusik gespielt und wild getanzt, und beim Hinausgehen gibt Silke Manfred ganz unbedarft ihre Telefonnummer, um ihn in ihre Clique aufzunehmen, die sich regelmäßig zum Tanzen und vorher zum Essen trifft. Es kam anders, binnen einer Woche waren die beiden ein Paar. Wenig später zogen sie zusammen und nach vielem hin und her heirateten sie 1997 in Darmstadt.

Nach einigen Umzügen zogen sie hochschwanger und mit Katze Lena nach Braunshardt. Benedikt kam 1998 in Frankfurt auf die Welt und hielt seine Eltern auf Trab. Die Welt veränderte soch, das Internet kam, das Jahr 2000 kam immer näher und die Sorgs zog es über den Rhein - lieber ein Haus in Rheinhessen als eine Wohnung zum gleichen Preis im Ried.

In der Zeit in Dorn-Dürkheim wuchs Benedikt auf und schleppte den Kater Emil in unsere Familie. Lena lebte schon lange bei uns und musste sich nun mit dem neuen Familienmitglied anfreunden, was ihr mehr schlecht als recht gelang. Die Situation auf der Welt verschlechterte sich nach den ruhigen 90er Jahren zusehend und eskalierte mit den Attentaten vom 11. September und dem Börsencrash der dotcom-Blase vollends. Auch unser trautes Heim wurde unbequem, weil der Vermieter uns lieber gehen lassen wollte.

Da zu dieser Zeit kaufen günstiger war als mieten, zogen wir nach Gimbsheim und erwarben ein 40 Jahre altes Haus in einem viel älteren Hof direkt an der Kirche. Dies war erhöhter Grund und selbst nach dem verheerenden Hochwasser von 1882, als von Ludwigshafen bis Trebur in 20 km Breite alles überflutet war, blieben die Kirche und unser Haus verschont. Wir lebten uns ein, frönten unserem neuen Hobby, der mittelalterlichen Darstellung, und nach vielen Mühen zog Gwendolin 2005 bei uns ein.

Mit Benedikts Umzug nach Norddeutschland und Gwendolins Weg ins Internat brach eine neue Zeit an, die kein großes gemeinsames Haus mehr benötigte. Wieder auf Umwegen fanden wir unsere Plätze und die Geschichte geht weiter.

Neu-Isenburg

In die Hugenottenstadt Neu-Isenburg zog es Walli 1976, nachdem ihr Mann sie verlassen hatte. Das Haus ließ sie dort, das Kind Manfred nahm sie mit; Frankfurt mit dem Reisebüro ihrer Schwester Gerlinde zog sie an. Hier kam sie mühsam wieder auf die Beine.

Der kleine Manfred startete im Kindergarten und blieb die ganze bis zum Abitur in Neu-Isenburg. Ab 1978 war mit Roland wieder ein Mann im Haus und 1989 wechselte die Familie in ein Haus am anderen Ende der Stadt.

Neulussheim

Nach ihrer Flucht aus Haid im Egerland konnte sich die Familie Schücker ca. 1950 in Neulussheim in der Kurpfalz niederlassen. Zunächst lebten sie in einer Wohnung in der Ortsmitte, wo auch 1952 Valerie Ulrike genannt Walli geboren wurde. Danach konnten sie sich ein eigenes Haus mit Garten im Norden bauen. Walli wuchs mit ihren Neffen auf und wurde eine junge Frau.

In der Ausbildung lernte sie den verrückten Karl kennen und nach einem Berlinabenteuer und dem Zivildienst heirateten die beiden 1971 in Neulussheim. Es dauerte nicht lange, die beiden wohnten in Ludwigshafen und Nachwuchs stellte sich ein. Der kleine Manfred kam 1972 und wurde Maff genannt.

Danach planten die beiden, nach Neulussheim zu ziehen und begannen gemeinsam mit viel Hilfe von Wallis Bruder Fredhorst ein Haus zu bauen. Das ist natürlich auch immer ein Abenteuer, auch wenn Walli das größere Abenteuer noch bevorstand.

Mannheim

Nach der Flucht konnte sich die Familie Sorg 1956 in Mannheim niederlassen. Josef wurden zwei Stellen angeboten und er nahm diese - es hätte auch ganz anders laufen können. Karl und sein Bruder Siegfried wurden nun Stadtkinder und wuchsen auf.

Karl wechselte nach der Ausbildung den Arbeitgeber und traf dort Walli. Er nannte sie Rike, weil es ihm besser gefiel, und sie fand das gut. Er wechselte die Arbeitsstelle abermals - dieses Mal allerdings nach Berlin. Rike blieb zurück; es war doch nicht so schön in Berlin wie versprochen und Karl kam zurück und musste gegen seinen Willen zur Bundeswehr bzw. zum Zivildienst. Alles ging vorüber, das junge Paar bezog eine Wohnung im 13ten Stock des Zollhofhochhauses in Ludwigshafen und bekam ein Kind.

Karl wechselte nach seinem Zivildienst nun zu Lucks+Co, einer Baufirma in Mannheim. Dort lernte er die Sekretärin des kaufmännischen Leiters kennen, und die beiden Paare wurden gute Freunde. Zwischen den beiden entwickelte sich allerdings irgendwo zwischen meiner Geburt und dem Abschluss des Hausbaus mehr und Karl verließ schweren Herzens Frau und Kind.

Linz

1945, der Krieg war vorüber. Die angestammten Ländereien an der Donau, in der Batschka und in Syrmien, waren verloren, die Menschen waren auf der Flucht vor den Serben. So ging es auch Eva Emilie Besinger, einer jungen Frau Birda in Rumänien. Sie floh mit ihren Eltern. Obwohl in Rumänien weiterhin Platz für Deutsche war, war es keineswegs erstrebenswert, im entstehenden Ostblock unter russischer Führung zu leben.

Wie viele andere Flüchtlinge landete sie im Lager 65 in Linz. Die Flüchtlinge lebten hier unter ärmlichsten Verhältnissen, aber wenigstens waren sie sicher. Da Evas Mutter eine Sorg aus Betschmen in Syrmien war, hatten sie nicht nur Kontakt zu den Birdaer Familien, sondern auch zu den Betschmener. So lernte Eva eines Tages Ludwig kennen. Er war aus Betschmen, kam in serbische Gefangenschaft und kam nach seiner Freilassung in das gleiche Lager. Früher wäre es sicherlich ein Problem gewesen, dass sie aus einer Bauersfamilie stammte und er nur Erntehelfer war, nach dem Krieg war aber ohnehin alles an Grund und Boden verloren.

Die beiden kamen zusammen und beschlossen füreinander da zu sein. Schon bald nach der Hochzeit 1949 kamen 1950 Karl und 1953 Siegfried auf die Welt. Sie kannten nur das Lager und spielten mit allem, was sie in Finger bekamen. 1956 bekam Ludwig eine Gelegenheit auf ein richtiges Leben außerhalb des Flüchtlingslager und er packte zu.

Betschmen

Jakob Michael Sorg zog im Sommer 1869 aus der Batschka nach Westen, nach Syrmien. Betschmen - heute ein Teil von Belgrad - war das neue Zuhause. Beide Gebiete waren Teil der Doppel-Monarchie Österreich-Ungarn. Betschmen allerdings gehörte zur Grafschaft Vukovar.

Die meisten seiner sieben Kinder kamen mit ihren Familien mit - die jüngste Tochter war schon über zwanzig. Heinrich, das vierte Kind, war bereits verheiratet und hatte fünf Kinder, als sie übersiedelten. In Betschmen bezogen sie Haus Nummer 66 und Eva, seine Frau, gebar noch sechs weitere Kinde. Heinrich muss bemerkenswert gewesen sein. Er war Steinmetz, Schreiner, Landwirt und Musiker und er machte sich einen Namen im Ort. Er wurde „der Maurer-Sorg" genannt.

Karl, sein jüngstes Kind aus Kuczura, war erst ein Jahr alt, als der Umzug stattfand - er wuchs in Betschmen auf. Dort fand er auch Marie aus der eng verbundenen Hüttenberger-Familie und heiratete sie 1890. Er war eigentlich Landwirt und nach seinem Vater war er der „Mauer-Karlvetter". Anscheinend stieg er aber in der Achtung, bis er seinen Namen erhielt: „Richter-Karlvetter". Er starb mit 56 Jahren in Agram bei Zagreb - welches Unglück ihn 1925 einholte, ist leider nicht bekannt.

Ludwig, das vierte von seinen fünf Kindern, wurde kurz vor der Jahrhundertwende im November 1899 geboren. Er erlebte ganz andere Zeiten als seine Eltern und musste im ersten Weltkrieg kämpfen. Die Spannungen mit den Serben verschärften sich immer wieder und Betschmen war zeitweilig sogar serbisch. Seine erste Frau, Theresia, starb 1928 in Folge der Geburt ihrer Tochter Maria. Ludwig nahm 1930 Franziska zur Frau und insgesamt hatte er elf Kinder.

Ludwig, sein zweites Kind, lernte seine Mutter nur als kleines Kind kennen. Geboren 1922 war er sechs Jahre alt, als sie starb. Dies war ein schwerer Schlag; und die Tatsache, dass seine Stiefmutter eindeutig die eigenen Kinder bevorzugte, machte es nicht besser. Er brach mit seiner Familie spätestens als 1939 der zweite Weltkrieg einsetzte und er Großdeutschland unter anderem gegen die Serben verteidigen musste. Vor deren Partisanentaktik grauste es ihn noch im Alter.

Donau

Nach der zweiten misslungenen Belagerung Wiens durch die Türken 1683 eroberten die Österreicher große Gebiete im Südosten. Diese Gebiete waren während der osmanischen Herrschaft nur dünn besiedelt und wurden durch den Abzug der Türken nahezu entvölkert. Infolgedessen wurde während des 17. Jh. eine planmäßig durchgeführte Ansiedlung von deutschsprachigen Bauern und Handwerkern durchgezogen. Die potenziellen Ansiedler wurden in ihren Heimatgebieten rekrutiert, an die Donau gebracht und dort typischerweise mit ihrem Hab und Gut auf ein flaches Boot namens „Ulmer Schachtel" verfrachtet. So stakten sie die Donau hinunter an Passau und Wien vorbei bis in ihr zugewiesenes neues Land.

Die formalen Bedingungen konnte Johannes aus Erzenhausen ab 1781 in der Pfalz erfüllen: er erkannte den Habsburger Kaiser an und er war bereit die „Militärgrenze", das Grenzgebiet der christlichen Lande zur Türkei, zu verteidigen. Vor 1781 hätte er noch katholisch sein müssen, was er nicht war. Die Sorgs gehörten somit zu den ersten reformierten Einwanderern in die neuen Gebiete.

1784 war Johannes bereits mit Rosina verheiratet und hatte Kinder. Die zwei letzten waren als Baby verstorben, aber zwei Kinder konnte er in die neue Heimat mitnehmen. Er war Landwirt und Schuhmacher und wurde daher gerne angenommen. Er war der jüngste von sechs Söhnen und seine Chancen waren schlecht zu Hause - Auswanderung war die beste Wahl.

Seine Kinder Katharina und Johannes blieben in Torschau auf dem Flecken Land, der ihnen zugeordnet wurde. Johannes hatte viele Kinder und so zog sein Erstgeborener Jakob Michael weiter. Er hatte ein bewegtes Leben. 1802 wurde er in Torschau geboren; dort heiratete er 1822 und bekam 1825 sein erstes Kind. In Kuczura wurde er zwischen 1830 und 1846 noch sechsmal Vater - gestorben ist er aber 1870 in Betschmen.

Potzberg

1555 wurde ein kleiner Hans Sorg in Mühlbach/Glan bei Kusel direkt östlich des Potzbergs geboren. Er wurde als Kleinkind im reformierten Glauben getauft und blieb in dieser Gemeinde. Die reformierte Kirche war noch sehr jung in dieser Gegend.

1579 heiratete er Maria aus Gönnheim bei Bad Dürkheim in ihrem Heimatort und brachte sie mit nach Hause. Sie hatten vier Kinder, das dritte hieß Gabriel und kam 1594 zur Welt. 1615 gewann er das Herz der Elisabeth aus Eisenbach und brachte sie nach Hause.

Gerade 1618 mit Beginn des Dreißigjährigen Krieges kam Theobald als drittes von Gabriels acht Kindern auf die Welt. Auch wenn die Franzosen bis an den Rhein vorrückten, die Hugenotten vor sich hintrieben und das Übel der Reformation ausrotten wollten - die Sorgs in ihrem versteckten kleinen Dorf blieben reformiert. Dies mag der Grund sein, warum es über Theobald nur unvollständige Informationen gibt - jedenfalls scheint er nach Westen umgezogen zu sein.

Sein Sohn Matheis wurde ca. 1670 in Höchen bei Homburg geboren. Erst 1705 heirate er Anna aus Oberohmbach, die ihm neun Kinder schenkte - eines davon allerdings vor der Eheschließung. Theobald, der Zweitälteste - geboren 1706 - heiratete Maria 1707 und zog zu ihr nach Erzenhausen. Er galt als angesehener Bürger mit eigenem Grund, aber sein jüngster Sohn suchte das Glück in der Ferne.

Reformation

1522 gab es einen Eklat in Zürich, der in die Geschichtsbücher einging. Einige Befürworter der Reformation aßen während der Fastenzeit demonstrativ Wurst. Zwingli selbst hielt sich zwar zurück, wahr aber wohl dabei und billigte so den Fastenbruch. Der Hintergrund der ganzen Angelegenheit war, dass die Reformierten sich nur auf die Schrift bezogen - und dort steht nirgends etwas von einer Fastenzeit.

In den darauffolgenden Jahren breitete sich der Zwinglianismus in der Schweiz und im Südwesten der deutschsprachigen Gebiete aus, u.a. waren Konstanz, Schaffhausen, Straßburg und Weißenburg von Anfang an dabei. Die Churpfalz, die zu dieser Zeit die Pfalz beinhaltete, war offiziell ab frühestens 1556 lutherisch und ab 1563 reformatorisch im Sinne Calvins mit einigen Heidelberger Anpassungen. Lothringen war größtenteils reformationsfeindlich. Trotzdem schaffte es die Reformation bereits früh in die Nordpfalz.

Der Straßburger Prediger Martin Bucer aus Sélestat wirkte auch in der Pfalz. Er war Dominikanermönch, lernte Luther kennen, las Erasmus und Zwingli und ließ sich 1521 vom Gelöbnis entpflichten - während des Verfahrens war er auf der Ebernburg in Bad Münster am Stein, wo Ulrich von Hutten reformatorische Texte schrieb. Ab 1522 war Martin Bucer Pfarrer in Landstuhl - später in Weißenburg und Straßburg. Von Landstuhl zum Potzberg ist es nur ein Katzensprung, eine frühe Reformation der Gemeinden um Landstuhl ist also verständlich.

Die Linie der Sorgs in den Pfälzer Archiven endet mit Hans, über seine Eltern liegen keine Informationen vor. So ist es doch plausibel, dass ein junger gutsituierter Mann aus Schaffhausen sich auf den Weg machte, die Reformation zu lernen und zu lehren - auch um den beginnenden Bauernaufständen zu entgehen, die im Oberschwäbischen ihren Anfang hatten. Von der Kirche des Martin Bucer in Landstuhl aus, übernimmt er priesterliche Aufgaben im ländlichen Umfeld. Kusel und die umgebenden Orte werden sein Gebiet. Nach einigen Jahren in Kusel ist er etabliert und verliebt sich in eine junge Pfälzerin. Er heiratet sie und bleibt bei ihr in Mühlbach. Sorg ist ein Name mit viel Tradition in Schaffhausen, der nun am Potzberg angekommen ist.

Schaffhausen

Mit dem Erstarken des Handels und der Städte kam ein junger Sorg mit hochtrabenden Ideen nach Konstanz, um zu lernen. Er hätte Priester werden können, widmete sich aber lieber dem Handel. Schaffhausen mit seiner Furt und der Notwendigkeit die Boote umzuladen, war eine logische Wahl. Die Familie blieb lange dort und war erfolgreich, noch 1750 und 1850 ist ein Familien-Wappen in zwei Fassungen in Schaffhausen belegt.

Jan Hus kam anlässlich des Konzils 1414 mit einem Freibrief nach Konstanz und predigte drei Wochen lang in der Stadt, bevor er verhaftet wurde - er wurde im Juni 1415 verbrannt. Viele Bürger aus Konstanz und Umgebung kamen zu seinen Predigten und noch mehr kamen zu seiner Verbrennung. Ein Schaffhausener Sorg war bestimmt dabei, wie sich die wichtigsten Männer der bekannten Welt versammelten, um über den Fortbestand des Glaubens zu verhandeln. Der neu gewählte Papst ritt sogar durch Schaffhausen, um sein Amt anzutreten. Auch wenn es noch 100 Jahre dauerte, bis Hus' Gedankengut durch Zwingli in eine akzeptierte Form gebracht wurde, hat sicherlich ein Großvater seinem Enkel vom Konstanzer Konzil und von Jan Hus erzählt.

Am Anfang der 1500er Jahre wurde ein junger Sorg in Schaffhausen geboren. Schaffhausen wurde zwar „erst" 1520 offiziell reformiert, gepredigt wurden reformative Ideen jedoch schon länger. Der junge Mann war also von Grund auf geprägt durch den Glauben, dass alles, was relevant ist, in der Heiligen Schrift steht. Lesen können ist dazu die Voraussetzung. Auch ansonsten dürfte er wohlhabend und städtisch geprägt gewesen sein, weil er sonst nicht die Zeit gehabt hätte sich früh mit Zwingli auseinander zu setzen.

Die Familie war nun eine alteingesessene Schaffhausener Familie. Stolz teil des Schweizer Freistaats zu sein, stolz Teil des Welthandels zu sein, der in Schaffhausen vom Boot aufs Pferd und wieder aufs Boot gehoben werden muss, um die Rheinfälle zu umgehen. Rationelles, wirtschaftliches Denken war ihr zur zweiten Natur geworden - er war der Renaissance verbunden. Eine Kirche, die nicht zu verstehen ist, hätte nicht in sein Weltbild gepasst. Mit der Reformation konnte er selbst nachlesen, was er zu beachten hatten - dies passte viel besser zu ihm.

Schwaben

915 wurde das Land der Alamannen ein eigenständiges Herzogtum, die Staufer waren ein erfolgversprechendes Herrschaftsgeschlecht und führten das Land als Herzogtum Schwaben zu großem Ruhm. Schwaben war immer klein und unauffällig, aber nachdem die Staufer die Kaiserwürde übernahmen, wurden die Neider stark.

1217 kam Friedrich II. Stupor Mundi selbst nach Konstanz, um die Herzogswürde entgegenzunehmen, aber mit seinem Sohn endete die Linie. Nach einigem hin und her wurde Rüthi im beginnenden 14. Jh. ein Teil von Vorderösterreich unter habsburgischer Herrschaft.

Der Name Sorg muss in Rüthi in der Ostschweiz entstanden sein, weil in dieser Zeit allgemein die vererbbaren Namen entstanden sind - vielleicht war ein Sorg der Ortsvorsteher, ein Kämmerer, ein Verwalter, … - ein Kümmerer oder Sorger (mhd: sorgaere) eben.

Die Familie Sorg galt jedenfalls gegen Ende der Stauferherrschaft von guter Herkunft und hatte ein eigenes Wappen, das auf eine große Landwirtschaft hinwies. Der jüngste Sohn lernte auf der Reichenau, um Pfarrer oder Mönch zu werden, er hatte aber andere Ideen. Die Schule war ohnehin schon im Niedergang und schloss 1402 de facto den Betrieb.

Ostfranken

Ab dem 6. Jh. gehörte Rüthi wie auch der Rest der Alamannia zunächst zum fränkischen Reich - zuerst unter den Merowingerkönigen und später unter den Karolingern. Nach der Reichsteilung 843 wurde es unter Ludwig II. Teil des Ostfrankenreichs. Die Alamannia war zwar de facto weiterhin ein Stammesherzogtum, hatte aber als Teil des fränkischen Reiches keine offizielle eigene Herrschaft mehr. Ende des 9. Jh. führte dies zu Auseinandersetzungen, die mit der Gründung des Herzogtums Schwaben endeten.

Die Christianisierung der Alemannen erfolgte nach 570, wo sie noch überwiegend als Heiden gesehen wurden. Columban brachte 610 das irische Christentum in die Gegend und sein Gefährte Gallus errichtete das Kloster St. Gallen. 724 wurde unter Pirminus das Kloster auf der Bodenseeinsel Reichenau gegründet - auch zu dieser Zeit werden die Alemannen noch als überwiegend Heiden bezeichnet. Die Christianisierung schritt nun schnell voran und Abt Waldo gründete um 800 die Reichenauer Gelehrtenschule.

Rüthi

Am Fuß des Hohen Kasten liegt im Tal des Hochrheins das Dörfchen Rüthi geschützt vor allen Tirolern. In der Zeit nach der Ansiedlung war es noch Teil des Stammesverband und somit unter alemannischer Herrschaft. Die Siedlung war geprägt von Landwirtschaft, hatte aber sicherlich auch einen Anteil am Handel über den Rhein. Die späteren Sorgs blieben der Landwirtschaft treu, wie dann ihr Wappen zeigte.

Raetia

Nachdem wir uns von den Semnonen getrennt hatten, um ein eigener Stamm zu werden, siedelten wir nördlich der Altmühl. 260 überschritten wir den Limes und wurden zurückgeschlagen, 270 kamen wir bis Italien und kehrten mit reicher Beute heim. 356 schlossen wir uns den starken Verbänden der Alamannen an und machten erste Eroberungszüge in die rätischen Provinzen. 383 versuchten wir es wieder, es fielen uns aber Alanen und Hunnen in römischem Auftrag in den Rücken. Danach eroberten wir uns aber ein neues Zuhause, die Raetia, auch wenn es im 5. Jh. immer wieder römische Übergriffe gab. Konstanz war noch lange römisch, wartete aber nur noch auf den Zusammenbruch des Reiches.

250 Jahre hielt der Limes die germanischen Stämme ab, im vierten Jahrhundert jedoch siedelten wir in der ehemaligen römischen Provinz Raetia. Wir Juthungen zogen ganz nach Süden und siedelten uns am Rhein an. Im Osten den Hochrhein und im Westen unüberwindliche Berge hatten wir eine gute Position, um zu siedeln. Wir rodeten uns einen Flecken Wald und ab dem 7. Jh. wurde Rüthi für lange Zeit unser Zuhause.

Elbe

Wir Semnonen und unser Hauptstamm, die Sueben, stammen aus den Quellgebieten des großen Flusses, der nach Norden fließt, der Elbe.

6 vor der Zeitrechnung schlossen wir uns den kämpferischen Markomannen an, um die Überfälle der Römer zu überstehen. 11 Jahre später wussten wir, dass wir Recht hatten - alle anderen Stämme in unserer Gegend waren besiegt und unterworfen. Im Jahr 17 wechselten wir zu den Cheruskern und waren um 100 unter unserem König ein stolzer und mächtiger Stamm.

Zu dieser Zeit bauten die Römer ihren Limes und hinderten uns lange Zeit, unsere Gebiete nach Süden zu erweitern.

Oder

Vor der Zeitrechnung kamen wir aus dem Osten über die Donau und besiedelten das Land an der Küste, bis wir an den großen Strom Elbe kamen. Auf der anderen Seite lebten bereits kämpferische germanische Völker - die späteren Franken -, so blieben wir im Osten. Langsam folgten wir dem Strom zu seinem Quellgebiet und dort blieben wir zunächst. Wir sind die Sueben.

Steppe

Die Steppe erstreckte sich unendlich weit in Richtung Sonnenuntergang. Wir siedelten, wo es uns gefiel; wurde es zu eng oder blieb das Wild weg, zogen wir weiter. Anfangs trieben wir noch Handel mit unserem Volk im Osten, aber später waren sie zu weit weg. Manche Waren kamen noch von Siedlung zu Siedlung zu uns. Andere Volksgruppen waren uns schon weit voraus, so dass wir sie nicht mehr erreichen konnten. Über eine lange Zeit, über Jahrtausende, hörten wir auf, ein Volk zu sein. Die aus dem Norden überfielen uns, um Beute zu machen. Die Sprache hörte sich vertraut an, war aber fremd. Auch Völker aus dem Osten kamen und wir verstanden sie nicht mehr. Sie hatten immer modernere Waffen und Techniken und wir flohen weiter nach Westen. Es war auch gar nicht schlimm, das Getreide wuchs überall gut. Aus den Indogermanen wurden Westgermanen und dann Sueben.

Kasan

Es war ein harter Weg über das Gebirge, den Kaukasus, nach Norden. Wir waren hoch zivilisierte Menschen, aber nun kämpften wir um unser Überleben. Von denen die losgezogen sind, schaffte es kaum einer bis in den Norden - bis zu dem Tag, als wir endlich die Steppe sahen. Es war ein reiches Land mit Wasser, Getreide und Wild. Wir blieben zunächst viele Generationen dort und später nennt man uns die Jamnaja-Kultur.

Die jungen Leute waren immer neugierig. Manche fragen sich, ob wir diese Pferde auch so zahm machen könnten, wie die Hunde, die uns schon lange begleiteten. Sie fingen sie, manche redeten mit ihnen, andere sprangen zum Spaß darüber oder auf den Rücken. Und eines Tages war ein Pferd geduldig und vertrauensvoll und einer unserer jungen Kerls saß auf dem Pferd. Das Lachen ebbte ab, als alle verstanden, welche Möglichkeiten sich uns da boten.

Unsere Reichweite wurde größer, wir fanden mehr und bessere Nahrung und Lagerstätten, wir hatten mehr Kinder und der Stamm wuchs. Irgendwann wurde klar, dass wir mehr brauchten als einen Häuptling in jedem Lager. Wir erinnerten uns an die alten Lieder aus der verlorenen Heimat von Herren die gütig alles ordneten von ihrer erhöhten Feste. Der Häuptling des stärksten Stammes wurde unser Herr und wir bauten ihm in der Mitte unseres Gebiets einen Stammsitz.

Als er starb, gaben wir ihm ein steinernes Grabmal, einen Kurgan, und gaben ihm seine liebsten Stücke mit. Danach überhäuften wir das ganze mit Erde, so dass ein Hügel entstand, der ewig an ihn erinnert. So machten wir das mit seinem Nachfolger und dessen Nachfolgern, so dass viele Hügel zum Andenken an unsere Herren entstanden.

Über die Zeit breiteten wir uns zum Sonnenaufgang und zum Sonnenuntergang hin aus. Zu Mittag hin lag das schreckliche Gebirge, das niemand mehr durchquerte, und in Richtung Mitternacht lag ein anderes Gebirge, viele Wälder und schrecklich kaltes Wetter. Uns blieben nur die beiden Richtungen. Mit Entstehen der Siedlungen erreichten uns Nachrichten von immer weiter entfernten Orten. Von Sonnenuntergang kamen Nachrichten über eine endlose Steppe mit großen Flüssen und endlosen Süßwasser-Meeren. Von Sonnenaufgang kamen Nachrichten von Bergen bis zum Himmel und von endlosen warmen Wäldern mit riesigen Tieren.

Irgendwann kamen die Nachrichten nur noch spärlich und dann gar nicht mehr. Unser Reich war zu groß geworden - wir Indogermanen verbreiteten uns über Eurasien.

Göbekli Tepe

Wenige Menschen waren wir. Wir waren uns fremd und jeder sprach eine andere Sprache. Dennoch trafen wir uns manchmal, denn jeder hatte etwas, das der andere brauchte. Immer wieder hörten wir Gerüchte über einen großen Handelsplatz mit Waren aus Gebieten, die so weit weg sind, dass ein Leben nicht reicht, sie zu erreichen. Er sollte an der Quelle der beiden großen Flüsse nach Sonnenuntergang auf halber Strecke zum Meer sein.

Als wir da hinkamen - wir reisten natürlich mit dem ganzen Clan - waren wir erstaunt und ein wenig erschrocken. Es waren mehr Clans da als wir Personen im Clan hatten. Und es war richtig, manche waren vollkommen fremdartig, ganz weiß im Gesicht, als hätten sie eine Krankheit. Die seltsamsten Pflanzen, Felle, Gerüche und Gerichte gab es - und alle benutzten ihre Hände und Füße aber auch einige gemeinsame Worte zum Handeln. Auf der Spitze des Hügels waren ein paar stabile Hütten, die nicht nur für ein paar Wochen gebaut wurden. Dort gaben die Weisen Rat für alles, was zum Leben notwendig war - sie mussten nicht einmal jagen.

Im Laufe der Zeit wurde der Hügel der Ort, an den wir immer wieder zurückkehrten. Wir nahmen die gemeinsame Sprache an und vergaßen unsere eigene. Als wir von den Leuten am Tepe lernten, Getreide anzubauen und Vieh zu halten, gingen wir gar nicht mehr weg. Ein junger Wolf wurde unser Begleiter.

Als die Weisen mächtigen Stammesfürsten geholfen hatten, fingen diese an, Steinquader heranschleppen zu lassen. Die Weisen rieten uns schon länger, bestimmte Götter anzurufen, um sie uns gnädig zu stimmen - und auch für diese Götter zu spenden. Der Tempel auf dem Tepe wuchs und wuchs.

Viel Zeit verging und auch die Priester und jeder der es sich leisten konnte, lebten in Steinhäusern rund um den Tempel. Es wurden immer mehr Menschen, die blieben und der Platz in und um die Stadt wurde immer enger. Je größer die Zeltstadt wurde, desto weniger Menschen gingen zu den Predigern - die Ratschläge wurden auch immer weltfremder. Das Wasser wurde furchtbar knapp und wir wussten nicht wohin. Kleinere und größere Gruppen gingen in alle Richtungen weg und besiedelten die besten Plätze. Neuerdings kamen auch wieder kriegerische Haufen und nahmen uns das wenige weg, das wir noch hatten. Bevor der letzte Priester starb, gingen auch wir mit unserem Großstamm weg nach Mitternacht vorbei am großen Berg Erebus.

Afrika

Als wir von den Bäumen stiegen und uns in der Steppe aufrichteten, sahen wir ein großes Land voller Beutetiere vor uns. Wir nahmen zunächst Steine und spitzten später Stöcke an und nahmen uns unseren Anteil. Wir lernten das Feuer zu zähmen, um die wilden Tiere fernzuhalten, und lernten, wie gut das Fleisch schmeckt, wenn es ein wenig, aber nicht zu lang, im Feuer gelegen hat. Auch die Früchte und das Getreide waren vollkommen in diesem Land - es war das Paradies.

Leider war das Land irgendwann nicht groß genug für alle. Tatendurstige junge Leute bildeten eigene Gruppen und zogen los. Manche gingen nach Sonnenuntergang oder Sonnenaufgang, da gab es aber nicht genug Land ohne zu viele Bäume, Flüsse und gefährliche Tiere. Die Gruppen, die weg von der Sonne zogen, trafen es besser. In beide Richtungen war viel braches Land mit nur wenig anderen Menschen, die nicht sprechen konnten.

Wir waren schon so weit gezogen, dass die Sonne nicht mehr über unseren Köpfen stehen konnte. Wir kamen aus Richtung der Sonne und gingen immer weiter Richtung Dunkelheit, bis wir an ein großes salziges Gewässer kamen. So folgten wir diesem Gewässer, bis wir einen Übergang fanden und kamen irgendwann in trockenes, aber gutes Land. Das alles hatte natürlich unzählbare Generationen gedauert und wir waren auch nicht die Ersten hier, aber wir hatten genug Platz. Wir zogen so weit, bis wir an einen großen Fluss kamen, an dem auch viele andere Siedler waren. Es war fruchtbar das Land zwischen den zwei Flüssen.